Natriumborhydrid

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Strukturformel
NatriumkationStrukturformel von Borhydridanion
Allgemeines
Name Natriumborhydrid
Andere Namen
  • Natriumboranat
  • Natriumtetrahydroborat
  • Natriumtetrahydridoborat
  • SODIUM BOROHYDRIDE (INCI)[1]
Summenformel NaBH4
Kurzbeschreibung

weißes Pulver[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 16940-66-2
EG-Nummer 241-004-4
ECHA-InfoCard 100.037.262
PubChem 4311764
ChemSpider 26189
Wikidata Q407895
Eigenschaften
Molare Masse 37,83 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,07 g·cm−3[3]

Schmelzpunkt

ca. 360 °C[3]

Siedepunkt

ca. 400 °C[3]

Löslichkeit

gut in Wasser unter langsamer Zersetzung (550 g·l−1 bei 25 °C)[3]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[4]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 260​‐​301​‐​314​‐​360FD
EUH: 014
P: 231+232​‐​260​‐​280​‐​303+361+353​‐​304+340+310​‐​305+351+338[4]
Toxikologische Daten
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

−188,6 kJ/mol[5]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Natriumborhydrid (benannt nach seinen Bestandteilen Natrium und Bor) ist ein Komplexsalz, bestehend aus einem Natriumkation (Na+) und einem komplexen Tetrahydridoboratanion (BH4). Die Verbindung ist ein Reduktionsmittel und wird häufig in der organischen Chemie eingesetzt.

Natriumborhydrid wurde 1942 in der Arbeitsgruppe um Hermann Irving Schlesinger an der University of Chicago im Rahmen von Arbeiten zur Isolierung von flüchtigen Uranverbindungen entdeckt. Der spätere Nobelpreisträger Herbert Charles Brown war wesentlich an diesen Arbeiten beteiligt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde, auf Anregung des US Army Signal Corps, in der gleichen Arbeitsgruppe die Hydrolyse von Natriumborhydrid zur Wasserstofferzeugung für militärische Anwendungen untersucht. Aus Geheimhaltungsgründen wurden die Forschungsergebnisse zu Natriumborhydrid aber erst 1953 veröffentlicht.[6] In den 1960er-Jahren wurden erste Versuche zum Einsatz von Natriumborhydrid-Lösungen in Brennstoffzellen gemacht.

Darstellung und Gewinnung

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Natriumborhydrid wird aus dem Alkalimetallhydrid Natriumhydrid (NaH) und Borsäuretrimethylester [B(OCH3)3] dargestellt.[6] Die Reaktionsgleichung lautet:

Weiterhin kann die Verbindung technisch aus Borosilicatglas, Natrium und Wasserstoff gewonnen werden.[7]

Physikalische Eigenschaften

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Natriumborhydrid bildet farblose, ätzende und brennbare Kristalle.[7] Ein Schmelzpunkt bei 505 °C kann nur unter einem Wasserstoffdruck von 10 atm beobachtet werden.[8] Von der Verbindung sind die drei polymorphen Formen α-, β- und γ-Natriumborhydrid bekannt. Bei Raumtemperatur und Normaldruck ist die α-Form, die in einem kubischen Kristallgitter auftritt, die stabile Form. Ab einem Druck von 6,3 GPa wird die Struktur in die tetragonale β-Form und ab 8,9 GPa in die orthorhombische γ-Form umgewandelt.[9][10][11] Aus wässriger Lösung kristallisiert unterhalb von 36,4 °C ein Dihydrat. Oberhalb dieser Temperatur bzw. in Abwesenheit von Wasser ist die α-Anhydratform stabil.[8] Die Verbindung löst sich sehr gut in Wasser. Unterhalb von 36,4 °C ist die Löslichkeitskurve von der Dihydratform bestimmt, darüber entspricht diese dem wasserfreien Anhydrat.[8]

Löslichkeit von Natriumborhydrid in Wasser

Die Lösungen von Natriumborhydrid in Wasser sind basisch. Der pH-Wert hängt von der Konzentration ab und steigt mit zunehmendem Gehalt.[8]

pH-Werte von Natriumborhydridlösungen bei 24 °C[8]
Konzentration in mol·l−1 0,01 0,1 1
pH-Wert 9,56 ± 0,02 10,05 ± 0,02 10,48 ± 0,02

Chemische Eigenschaften

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Beim Erhitzen ist die Verbindung an trockener Luft bis 600 °C stabil.[7] In feuchter Luft setzt schon ab 300 °C eine Zersetzung ein.[7] Mit Wasser wird es unter Hydrolyse und Bildung elementaren Wasserstoffs zersetzt, wobei ein Gramm Substanz 2,4 Liter Wasserstoff ergibt.[7]

Die Hydrolysegeschwindigkeit ist stark pH-abhängig. Eine schnelle Reaktion erfolgt nur bei niedrigen pH-Werten, so dass die Verbindung auch in wässrigen und alkoholischen Lösungsmitteln eingesetzt werden kann.[12] Die Hydrolysekinetik verläuft im sauren sowie im basischen pH-Bereich nach einem Zeitgesetz pseudoerster Ordnung.[13][14][15][16][17] Die pH- und Temperaturabhängigkeit der Hydrolysegeschwindigkeit kann mit einer empirischen Formel mit

(mit t1/2 in min und T in K)

abgeschätzt werden.[18] Im Sauren erfolgt die Hydrolyse praktisch spontan. Im stark Basischen ist die Lösung im normalen Umgang stabil.

Halbwertszeiten der Hydrolyse bei 25 °C[18][8]
pH 4,0 5,0 5,5 6,0 7,0 8,0 9,0 10,0 11,0 12,0 13,0 14,0
t1/2 3,7 ms 37 ms 0,12 s 0,37 s 3,7 s 36,8 s 6,1 min 61,4 min 10,2 h 4,3 d 42,6 d 426 d

Natriumborhydrid ist ein starkes Reduktionsmittel. Die Reaktion mit Metallionen kann entweder zur Reduktion des Metalls, zur Bildung von Metallboriden oder zur Bildung von flüchtigen Metallhydriden führen.

Durch seine reduzierende Wirkung greift Natriumborhydrid organisches Gewebe an, daher ist jeglicher Kontakt, auch mit der Haut, zu vermeiden.

Verwendung und Reaktionen

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Reduktionsmittel in der organischen Chemie

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Natriumborhydrid wird vor allem in der organischen Chemie als Reduktionsmittel benutzt. Diese Anwendung läuft mit geringer Atomökonomie ab, da stets beträchtliche stöchiometrische Mengen anorganischer Salze bei der Aufarbeitung des Reaktionsgemisches anfallen. Durch die Polarisierung der Bor-Wasserstoff-Bindung kann die Verbindung als Hydridionen-Donator fungieren; der Wasserstoff wird mit seinen Bindungselektronen übertragen. Dieses Teilchen ist ein starkes Nukleophil und reagiert leicht zum Beispiel mit Carbonylgruppen und reduziert sie zum entsprechenden Alkohol, der nach sauer-wässriger Aufarbeitung erhalten wird. Besonders geeignet ist es für Reaktionen in wässrigen oder methanolischen Lösungen, da es bei weitem nicht so heftig mit Wasser reagiert wie beispielsweise Lithiumaluminiumhydrid.[19][20] Unter geeigneten Bedingungen lassen sich mit Natriumborhydrid Aldehyd- und Ketogruppen selektiv reduzieren. Methanol steigert die Reaktivität, so dass in diesem Lösungsmittel auch Estergruppen reduziert werden.[21]

Analytische Chemie

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In der analytischen Chemie wird Natriumborhydrid verwendet, um Halbmetalle wie Arsen und Selen in flüchtige Verbindungen umzusetzen, die sich leichter mit der Atomabsorptionsspektrometrie nachweisen lassen (Hydrid-AAS).[22]

Brennstoffzellen

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Eine weitere ins Auge gefasste Verwendungsmöglichkeit für Natriumborhydrid ist der Einsatz in Brennstoffzellenfahrzeugen, hier existiert der von DaimlerChrysler gebaute Prototyp Natrium.[23] Das Funktionsprinzip ist eine katalytische Hydrolyse des Borhydrids, wodurch elementarer Wasserstoff entsteht, der in der Brennstoffzelle eingesetzt wird. Das Produkt ist Natriummetaborat (NaBO2), das durch Reaktion mit Wasserstoff wieder als Treibstoff nutzbar gemacht werden kann.[24] Der Vorteil der Verwendung von Natriumborhydrid als Protonenquelle in Brennstoffzellen ist die gegenüber H2/O2-Zellen wesentlich höhere Zellenspannung, die eine höhere Leistungsdichte erlaubt.[25] Ein weiterer Vorteil ist die gegenüber H2 weniger aufwändige Handhabung, da weder Tiefkühlung noch Hochdruck nötig ist.

Einzelnachweise

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  1. Eintrag zu SODIUM BOROHYDRIDE in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 1. Oktober 2021.
  2. Datenblatt Natriumborhydrid bei Merck, abgerufen am 12. April 2011.
  3. a b c d e f Datenblatt Natriumborhydrid (PDF) bei Carl Roth, abgerufen am 14. Dezember 2010.
  4. a b Eintrag zu Natriumtetrahydroborat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 2. Januar 2024. (JavaScript erforderlich)
  5. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-6.
  6. a b H. I. Schlesinger, H. C. Brown, B. Abraham, A. C. Bond, N. Davidson, A. E. Finholt, J. R. Gilbreath, H. Hoekstra, L. Horvitz, E. K. Hyde, J. J. Katz, J. Knight, R. A. Lad, D. L. Mayfield, L. Rapp, D. M. Ritter, A. M. Schwartz, I. Sheft, L. D. Tuck, A. O. Walker: New developments in the chemistry of diborane and the borohydrides. General summary, in: J. Am. Chem. Soc. 75 (1953) 186–190; doi:10.1021/ja01097a049.
  7. a b c d e Eintrag zu Natriumborhydrid. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 14. Juni 2014.
  8. a b c d e f Rohm & Haas: Sodium borohydride digest, October 2003, pdf.
  9. R. S. Kumar, A. L. Cornelius Structural transitions in NaBH4 under pressure in Appl. Phys. Lett. 87 (2005) 261916, doi:10.1063/1.2158505.
  10. Y. Filinchuk, A. V. Talyzin, D. Chernyshov, V. Dmitriev: High-pressure phase of NaBH4: Crystal structure from synchrotron powder diffraction data in Phys. Rev. B 76 (2007) 092104, doi:10.1103/PhysRevB.76.092104.
  11. E. Kim, R. Kumar, P. F. Weck, A. L. Cornelius, M. Nicol, S. C. Vogel, J. Zhang, M. Hartl, A. C. Stowe, L. Daemen, Y. Zhao: Pressure-driven phase transitions in NaBH4: theory and experiments in J. Phys. Chem. B 111 (2007) 13873–13876, doi:10.1021/jp709840w.
  12. L. Banfi, E. Narisano, R. Riva, N. Stiasni, M. Hiersemann: Sodium Borohydride, in: Encyclopedia of Reagents for Organic Synthesis. 2004, J. Wiley & Sons, New York; doi:10.1002/047084289X.rs052.
  13. Gardiner, J.A.; Collat, J.W.: Kinetics of the Stepwise Hydrolysis of Tetrahydroborate Ion in J. Am. Chem. Soc. 87 (1965) 1692–1700, doi:10.1021/ja01086a013.
  14. Gardiner, J.A.; Collat, J.W.: Polarography of the Tetrahydroborate Ion. The Effect of Hydrolysis on the System in Inorg. Chem. 4 (1965) 1208–1212, doi:10.1021/ic50030a026.
  15. Wang, F.T.; Jolly, W.L.: Kinetic study of the intermediates in the hydrolysis of the hydroborate ion in Inorg. Chem. 11 (1972) 1933–1941, doi:10.1021/ic50114a042.
  16. Levine, L.A.; Kreevoy, M.M.: Solvent isotope effects on tetrahydridoborate hydrolysis in J. Am. Chem. Soc. 94 (1972) 3346–3349, doi:10.1021/ja00765a014.
  17. Abts, L.M.; Langland, J.T. Kreevoy, M.M.: Role of water in the hydrolysis of tetrahydroborate(1-) ion in J. Am. Chem. Soc. 97 (1975) 3181–3185, doi:10.1021/ja00844a043.
  18. a b Mochalov, K.N.; Khain, V.S.; Gil'manshin, G.G.: in Kinetika i Kataliz 6 (1965) 541.
  19. H. R. Christen, F. Vögtle: Organische Chemie - Von den Grundlagen zur Forschung. 2. Auflage, Otto Salle Verlag, Frankfurt a. Main 1996, S. 821; ISBN 3-7935-5398-1.
  20. Autorenkollektiv: Organikum, 22. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim, 2001, 568–569; ISBN 3-527-29985-8.
  21. da Costa, Jorge C.S.; Karla C. Pais, Elisa L. Fernandes, Pedro S. M. de Oliveira, Jorge S. Mendonça, Marcus V. N. de Souza, Mônica A. Peralta, and Thatyana R.A. Vasconcelos: Simple reduction of ethyl, isopropyl and benzyl aromatic esters to alcohols using sodium borohydride-methanol system. In: Arkivoc, 29. August 2006, S. 128–133 (PDF).
  22. Umweltprobenbank des Bundes (PDF; 157 kB).
  23. Chrysler Natrium (Memento vom 1. Juni 2016 im Internet Archive).
  24. Patent DE102006041958B3: Vorrichtung und Verfahren zur Wasserstofferzeugung aus Natriumborhydrid. Angemeldet am 30. August 2006, veröffentlicht am 31. Januar 2008, Anmelder: DLR, Erfinder: Till Kaz.
  25. Wang et al.: Reactant-Transport Engineering Approach to High-Power Direct Borohydride Fuel Cells. In: Cell Reports Physical Science 1, 100084, July 22, 2020. doi:10.1016/j.xcrp.2020.100084.